Landwirtschaft unter Extrembedingungen
Pressemitteilung – 30. Mai 2022
Der Thementag des FÖL-Naturschutzprojekts informierte über den Einsatz von Biokohle als Bodenverbesserer fürs klimageplagte Brandenburg.
Das „Modellprojekt Naturschutzberatung Brandenburg“, eine Kooperation der FÖL mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege und dem Brandenburger Landesamt für Umwelt, organisiert auch in diesem Jahr die Themenreihe „Naturschutz in der Landwirtschaft“. Der spannende Mix aus Expertengesprächen, Vorträgen und Exkursionen stellt die Naturschutzmaßnahmen und Erfahrungen nachhaltiger Landwirtschaft unter anderem auf fünf landwirtschaftlichen Demonstrationsbetrieben in Brandenburg vor.
Am 18. Mai 2022 kamen über dreißig Interessierte aus Wissenschaft, Lehre und Praxis inmitten des Naturparks Nuthe-Nieplitz zusammen, um an einem Erfahrungsaustausch mit Landwirt Jürgen Frenzel von der Landgut Hennickendorf GmbH teilzunehmen. Die Vorträge von Dr. Matthias Plöchl, früherer Wissenschaftler am Leibniz Institut für Agrartechnik Bornim und jetziger Geschäftsführer der Bioenergie Beratung Bornim GmbH, sowie Dipl.-Biologin Maja Schultze von der ATB Potsdam thematisierten die neuesten Erkenntnisse zur Biokohlegewinnung und dem damit verbundenen Beitrag zum Klimaschutz. Katrin Greiser von der Naturparkverwaltung Nuthe-Nieplitz erläuterte, wie der Naturschutz durch die Kooperationen mit den landwirtschaftlichen Betrieben wie dem Landgut Hennickendorf vorangetrieben werden kann. Die Besichtigungen der Versuchsanlage zur Gewinnung von Biokohle und eines Orchideenschutzgebiets rundeten die Veranstaltung ab.
In der brandenburgischen Streusandbüchse ist es um die Bodenfruchtbarkeit von jeher nicht gut bestellt. Die durchschnittliche Ackerzahl liegt unter 35 Bodenpunkten, Klimafaktoren und Extremwetterereignisse erschweren die Ertragsergebnisse von Landwirten wie Jürgen Frenzel. „In den letzten vier trockenen Jahren sind wir gerade mal auf durchschnittlich 350 mm Niederschlag gekommen.“ Für Frenzel, der mit sieben Jahren das Melken von Kühen erlernte und schon drei Jahre später Pferdegespanne steuerte, eine „absolute Katastrophe“.
Neben der Bullenmast, Mutterkuhhaltung und Feldfruchtanbau treibt Frenzel in Zusammenarbeit mit der FÖL den Ausbau von Blühstreifen, Wildkräutervermehrung und Moorrenaturierung voran. Eindrucksvoll wurde vor allem der Einsatz Frenzels für seine Verwendung von Biokohle geschildert. Die Pflanzenkohle aus dem Pyrolyseprozess helfe einerseits, eine bessere Atmosphäre in den Ställen zu schaffen und unter anderem den Stickstoff aus der Luft zu binden. Andererseits werde die Kohle so mit Mineralien und Nährstoffen aufgeladen und wirke über viele Jahre hinweg als Depotdünger, der darüber hinaus auch Wasser speichere, den Boden in vielfältiger Weise aufwerte und Kohlenstoff bis zu einem Jahrhundert im Boden binde.
Im Büro des Landguts Hennickendorf GmbH wandert der Blick des 69-jährigen Landwirts suchend durch den Raum, das wettergegerbte und schmale Gesicht in Sorgenfalten gelegt. „Hier ist nicht eine einzige Fliege zu sehen“, kommentiert Frenzel und verweist auf den Stall mit den Mastbullen nebenan. Früher sei sofort ein Insekt im Auto gewesen, sobald die Tür geöffnet wurde. Egal ob Fliege oder Biene, der Rückgang der Insektenpopulation lässt den Landwirt, der eigentlich schon vor Jahren in Rente gehen wollte, nicht kalt.
Pro Tag würden 50 Hektar Agrarfläche durch Flächenversiegelung, Aufforstung, Naturschutzmaßnahmen, Temperaturerhöhung und Wassermangel in Deutschland verloren gehen. „Das ist so eine erschreckende Zahl für mich. Nur als Vergleich: Unser Betrieb ist 900 Hektar groß. Nach den aktuellen Flächenverlusten wäre unser Betrieb in achtzehn Tagen weg.“ Laut Umweltbundesamt verschwinden weltweit pro Jahr zehn Millionen Hektar Agrarland. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft strebt nach eigener Aussage bis zum Jahr 2030 an, die landwirtschaftlichen Flächenverluste auf unter 30 Hektar pro Tag zu senken.
Noch scheint dieses Ziel aber in weiter Ferne. Die traurige Realität steht im direkten Zusammenhang mit dem Verlust von Insekten und Vögeln. „Überall wo Feuchtigkeit vorhanden ist, lässt sich auch viel mehr Leben finden. Dort gibt es auch viel mehr Arten, als wenn Trockenheit herrscht.“ In Frenzels ruhiger und bestimmter Stimme schwingt Ärger mit. Für die Probleme werde immer die Landwirtschaft verantwortlich gemacht, das sei nicht in Ordnung. Überhaupt spielt selten ein Lächeln auf den Lippen des erfahrenen Landwirts. „Ich lache nur, wenn der Regen fällt“, ist die Erklärung eines Bauern, der mitten im Nuthe-Nieplitz-Naturschutzgebiet für den Spagat zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Naturschutz steht.
Unter den Veranstaltungsteilnehmern war auch Andrea Lüttge. Die 60-Jährige arbeitet für die Koordinierungsstelle Klima/Bioökonomie des Belziger Instituts für Lebensmittel und Umweltforschung. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Wiederverwertung von Reststoffen aus der Landwirtschaft. „Es wird in diesem und im nächsten Jahr Aufrufe unter anderem im Rahmen der EU im Bereich der Bioökonomie geben, um Förderideen zu evaluieren“, sagte Lüttge, die sich für den Pyrolyseprozess interessierte.
Frank Thum betreibt einen Demeter-Hof in Müncheberg nordwestlich von Berlin, baut dort Obst, Gemüse und Blumen an. Der 52-jährige Bio-Gärtner von „Almas Garten“ experimentiert nach eigener Aussage mit der traditionellen Kon-Tiki-Methode, um Pflanzenkohle herzustellen und ließ sich von Frenzels Erfahrungen inspirieren. „Wir haben ein paar Pferde im Offenstall stehen und ich wollte nicht länger zuschauen, wie der Urin ungenutzt wegläuft.“ Der Unternehmer plane nun, den Pferdeurin mit Hackschnitzeln und Pflanzenkohle aufzufangen und daraus Kompost herzustellen.
Werner Bailer ist ein Gartenenthusiast aus Kleinmachnow und beschäftigt sich seit zwei Jahren mit dem Thema Terra Preta. „Wenn man sich länger mit der Materie auseinandersetzt, sieht man erstmal, wie viele Menschen sich bereits mit dieser Thematik beschäftigen.“ Unterm Strich könnte es aber auch nicht genug Interessenten geben, erklärte der gelernte Gastronom. „Schlussendlich ist unser Essen von der Qualität unseres Bodens abhängig und die Frage um dessen Aufwertung extrem wichtig.“
Autor: Jan Lieske
Kontakt
Christina Menne – Projektleitung Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. (FÖL)
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E-Mail: c.menne@foel.de
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