Windschutz gleich Naturschutz? Zu Besuch auf Agroforstflächen bei Senftenberg
Pressemitteilung – Datum
Bildmaterial (Quelle: FÖL, Eduard Fischer) – Download in voller Auflösung: siehe unten
Beim Landwirt Thomas Domin funktioniert Agroforst als Windschutz und verbessert das Mikroklima – bei gleichbleibenden Erträgen. Beeinflussen die Bäume auf dem Acker auch den Naturschutz positiv? Der Feldtag der FÖL und des DeFAF informierte über den aktuellen Stand.
Der Exkursionsgruppe, die am Rand eines Ackers in Peickwitz bei Senftenberg steht, pfeift der Wind um die Ohren – die Ausläufer von Hurrikan Kirk haben es bis ins südliche Brandenburg geschafft. „Kommt mal mit hier rüber,“ sagt Landwirt Thomas Domin, der die Flächen bewirtschaftet, und winkt die Besucherinnen und Besucher hinter eine akkurat gepflanzte Pappelreihe. Plötzlich wird es ruhiger. Das Rascheln der Blätter ist zwar lauter, aber der Wind ist jetzt nur noch eine schwache Brise.
Was Domin deutlich machen möchte: Eine korrekt ausgerichtete Reihe an Bäumen auf dem Acker, also ein Agroforstsystem, kann Windgeschwindigkeiten deutlich reduzieren. Er hat 2014 angefangen, Baumreihen zwischen sein Getreide zu pflanzen, weil ihm immer wieder „der Acker um die Ohren geflogen ist,“ wie er selbst sagt. Bei starken Winden zogen riesige Staubwolken über die Flächen, und die oberste Humusschicht seines Bodens zog mit – obwohl diese gerade auf den sandigen Standorten in Brandenburg so kostbar ist. Mittlerweile kann Domin auch von weiteren Vorteilen seiner Bäume berichten, zum Beispiel vom Mikroklima, das sich zwischen den Reihen bildet: Im Getreide herrschen nun niedrigere Temperaturen und eine höhere Luftfeuchtigkeit, wodurch der Boden weniger austrocknet.
Seine Erfahrungen sind gefragt, der von seinen Nachbarn und den Medien einst „Spinner mit den Bäumen“ genannte Thomas Domin erhielt erst kürzlich durch Minister Cem Özdemir die Professor Niklas-Medaille. Die höchste Auszeichnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurde für Domins „Pionierarbeit beim Aufbau und bei der Verbreitung von Agroforstsystemen für eine strukturreiche Landschaft und eine klimafeste Landwirtschaft“ verliehen. Beim FÖL-Projekt „Naturschutzberatung Brandenburg“ ist der Betrieb einer von fünf Demonstrationsbetrieben und Best-Practice-Beispiel.
Domins aktuelle Projekte waren Thema des Feldtags, den die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) und der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) am 10. Oktober 2024 auf seinem Landwirtschaftsbetrieb veranstaltet haben. Dort informierten sich Naturschützerinnen und Naturschützer aus verschiedenen Organisationen und Behörden, aber auch Landwirte aus der Region. Es ging um die Frage, ob die Bäume auf dem Acker auch was mit Naturschutz zu tun haben.
Dafür kooperiert der Landwirt im Rahmen des Naturschutzvorhabens „Stabilisierung und Erhöhung von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen auf Agrarflächen durch Schaffung vielfältiger agroforstlicher
Nutzungsstrukturen“ (SEBAS) mit dem DeFAF, dem Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL), der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg und drei weiteren landwirtschaftlichen Betrieben. Gemeinsam untersuchen sie die Zusammenhänge zwischen Agroforststreifen und der Biodiversität, vor allen von Insekten. Es soll weiterhin geklärt werden, ob die Insektenvielfalt sogar direkt dem Acker zwischen den Bäumen zugutekommt – zum Beispiel, weil sich die natürliche Schädlingsbekämpfung oder die Bestäubungsrate verbessert.
Nach zwei Jahren Projektlaufzeit zeichnen sich zwar erste, positive Ergebnisse ab, doch um eine verlässliche Aussage mit allen gesammelten Daten treffen zu können, braucht es noch Untersuchungen bis zum Projektende im Jahr 2027. Sollte nachgewiesen werden können, dass die Insektenvielfalt durch mehr Struktur auf dem Acker erhöht wird, was ähnliche Studien bereits andeuten, wäre das eine weitere Brücke zwischen dem Naturschutz und der Landwirtschaft.
Denn obwohl Thomas Domin jetzt weniger Fläche zur Verfügung hat, um sein Getreide zwischen den Baumreihen einzusäen, ist sein Ertrag gleichgeblieben. Die positiven Effekte des Agroforsts gleichen den „Flächenverlust“ also aus. Dann wäre bewiesen, dass Agroforstsysteme dazu beitragen, die brandenburgische Landwirtschaft an die immer trockeneren Jahre anzupassen und produktiv zu halten und gleichzeitig Insekten und anderen Organismen einen Rückzugsort zu schaffen.
Der Landwirt und der DeFAF glauben schon jetzt daran. Sie setzen sich daher für mehr Forschung, aber vor allem auch für rechtliche Erleichterungen beim Anlegen von produktiven Gehölzen auf landwirtschaftlichen Flächen ein. Die ersten Schritte sind gemacht, sodass Agroforstflächen mittlerweile Teil der europäischen Agrarförderung sind. Doch viel genutzt und einfach zugänglich ist dies wohl aktuell nicht, trotz der ursprünglich hoch gesteckten Ziele der Bundesregierung, bis 2027 200.000 ha Agroforstsysteme in Deutschland zu etablieren.
Dieses Ziel wurde derweil auf 11.500 ha gesenkt – doch die aktuellen Zahlen liegen noch unter 1.500 ha. Es ist also zukünftig sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Brandenburg kann auf eine Investitionsförderung hoffen, die vorrausichtlich am Jahresende kommen soll und die Anlage von Agroforstsystemen mit bis zu 50.000 € bezuschussen würde. Domin hofft hierdurch auf mehr Planbarkeit für seine Branche in Brandenburg und mehr Nachahmerinnen und Nachahmer – damit künftig keine Ackerstaubwolken seiner Nachbarn am Haus vorbeiziehen.
Bildmaterial zur freien Verfügung (als Quelle bitte nennen: FÖL, Eduard Fischer)
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Zum Thema:
Agroforstwirtschaft – Agrarlandschaft nachhaltig und produktiv gestalten
Vortrag von Leon Bessert am 10.10.2024 auf dem Feldtag vom Demonstrationsbetrieb für Naturschutz Domin in Senftenberg Ot Peickwitz
Kontakt
Christina Menne – Projektleitung Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. (FÖL)
Marienstraße 19-20
10117 Berlin
Tel.: 030 284824-23 Fax-48
E-Mail: c.menne@foel.de
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